Interview von Bernhard Roetzel in Der Feine Herr mit Peter Eduard Meier

Der Feine Herr - Online Journal - Bernhard Roetzel

 

„Wir brauchen mehr Hausverstand“

Ein Interview mit Peter Eduard Meier, Familiengesellschafter von Ed.Meier München, der aus der Hofschuhmacherei Eduard Meier stammenden Luxusmarke Ed.Meier.

 

FH: Herr Meier, wie sind Sie als vormaliger Hofschuhmacher, dessen Geschichte 1596 begonnen hat, bisher mit der Corona-Krise und der Zwangsschließung des Ladens zurechtgekommen?



P. Ed.Meier: Eine Zwangsschließung ist immer eine Katastrophe. Wir haben aber Kontakt zu unseren Kunden gehalten. Die Schließung war auch ein Rempler und Anstoß, uns um ein bisschen mehr bei unserem Onlinebusiness zu bemühen. Da gibt es noch Luft nach oben. Seit August haben wir aber das Gefühl, dass unsere Kunden sich das normale Leben wieder zurückholen. Viele Leute haben gemutmaßt, dass Corona so etwas Ähnliches wäre wie eine göttliche Strafe für zu viel Konsum, für eine Unbescheidenheit und eine Dekadenz. Ob es eine göttliche Strafe ist, weiß ich nicht. Aber es ist sicher ein Impuls, nachzudenken, ob das eine oder das andere so stimmt.



FH: Welche Folgen sehen Sie voraus?



P. Ed.Meier: Ich bin mir ziemlich sicher, dass das Corona ein zweites Biedermeier auslöst. Im Sinne einer Rückbesinnung auf das Maßhalten, was heute oft als Nachhaltigkeit propagiert wird. Dabei ist das ja eigentlich das vollkommen Normale, was jeder Mensch, der eine halbwegs vernünftige Erziehung genossen hat, für das Richtige hält. Wenn man diese Normalität auf unsere Produkte überträgt, dann ist das ist die hohe Qualität in der Herstellung, bei den Komponenten und vor allem der Konstruktion. Also Funktionalität als Bequemlichkeit und Gehvergnügen bei den vielen Kilometern, die man in den Schuhen zurücklegt. Dann auch Features, wie wir sie schon vor Jahrzehnten zum Standard erklärt haben, z. B. Schockabsorption. Bei jedem Schritt läuft eine Schockwelle durch den ganzen Körper. Diese Schockwelle kommt daher, dass wir auf einem unnatürlichen Untergrund unterwegs sind. Die dämpfen wir durch Materialien, die eigentlich in der medizinischen Forschung entwickelt worden sind. Die haben wir weiterentwickelt und in unsere Schuhe eingebaut.



FH: Auf Ihrer Webseite wird als weitere Komponente das Material TanRite genannt. Was ist das?



P. Ed.Meier: Das ist ein vegetabil gegerbtes Futterleder. Ohne Metalle, ohne Chromsalze. Auch unsere Brandsohlen, auf denen wir ja direkt stehen, sind chromfrei und pflanzlich gegerbt. Die Feuchtigkeit an den Fußsohlen löst Stoffe aus der Umgebung wie ein Wirkstoffpflaster. Wenn das, was da angelöst wird, etwas Natürliches wäre, wie z. B. Tee, dann ist das in Ordnung. Wenn es Schwermetalle sind, nicht. Darum finden Sie die nicht in unsere Schuhen. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, dass man den Kunden, den man schätzt und gern hat, gesund erhalten möchte. Ein Gesundheitsschuh muss aber nicht so aussehen, als ob man die Lebenslust plötzlich ins Regal gestellt hat. Unsere Idee ist, dass der Schuh dabei sehr, sehr fesch ausschaut.

Wir versuchen, ihn perfekt zu konstruieren. Stichwort Peduform, das ist ein super fußgerechter, unterstützender Leisten. Der Peduform-Schuh ist funktionell, hält lange und bietet Lebensqualität. Beim Blick nach unten und beim Gehen.



FH: Der Peduform-Leisten ist die Spezialität Hauses, die seit 30 Jahren laufend weiter entwickelt wird. Sind die neuen Peduform-Leisten so viel besser, dass Sie ihren alten Kunden empfehlen würde, die Schuhe von vor 20 Jahren auszusortieren?



P. Ed.Meier: Es geht ja darum, dass man sich das Bestmögliche Wert ist und sich das auch gönnt im Rahmen seines Budgets. Wenn ich aber einen vollen Schuhschrank habe, gibt es diese Hemmung, sich ein neues Paar Schuhe zu kaufen, weil die alten Schuhe wahrscheinlich noch 20 Jahren lang halt könnten. Darum verteilen unsere Mitarbeiter Karten von der Kleiderkammer der Obdachlosenhilfe von St. Bonifaz, damit derjenige, der sich von Dingen trennen möchte, da abliefern kann. Um sich dann etwas zu kaufen, was noch ein Stück besser ist. Und derjenige, der das dann bekommt, erhält etwas viel besseres, als alles, was er zuvor hatte. Das ist eine Win-Win-Win-Situation. Unsere Kunden vom Genuss der neuen Peduform-Schuhe fernzuhalten, wäre Blödsinn. Wir wollen sie mit Hilfe des Schuhlöffels dorthin führen.



FH: Was ist die entscheidende Verbesserung bei der letzten Generation der Peduform-Schuhe?



P. Ed.Meier: Der Grundansatz ist ja, dass die Fersen-Großzehenlinie gehalten wird. Die Zehengelenke sind so vom Schöpfer uns mitgegeben worden, dass sie in zwei Ebenen und nicht in drei Ebenen arbeiten. Wenn dieses Gelenk ein bisschen aus der Achse geschoben wird und die Abrollentwicklung des Fußes – Ferse, Außenballen, Innenballen – dann ist das eine Katastrophe für den Fuß. Unsere Schuhe umfassen den Fuß wie eine Sportbandage. Der Untergrund in der Stadt gibt ja nicht nach, ob das dieser Holzfußboden mit Estrich darunter oder draußen das Pflaster. Die „Sportbandage“ hilft und unterstützt den Fuß den ganzen Tag lang und hält ihn frisch. Die Weiterentwicklung betrifft immer die Passform und die Proportion im Verhältnis Vorfuß und Rückfuß. Und dann gibt es die Traveller-Class-Linie auf Peduformleisten mit den herausnehmbaren Footlaunch Powerfußbetten in zwei Stärken. An deren Stelle kann man auch seine medizinischen Einlagen in diesen Schuhen tragen.



FH: Wie sind Sie auf diese Idee gekommen, mit herausnehmbaren Fußbetten zu arbeiten?



P. Ed.Meier: Die Grundüberlegung war, dass wir einen Schuh für die Reise durch verschiedene Klimazonen entwickeln wollten. Ich fliege hier im Februar bei -10 Grad los und komme in Hongkong bei hoher Luftfeuchtig- keit und Wärme an. Die Füße sind dann natürlich angeschwollen. Ich kann das etwas dickere Fußbett herausnehmen und das stattdessen das dünnere hineingeben. Dann passt der Schuhe wieder. Und im Flugzeug kann ich die Einlagen ganz herausnehmen und habe dann einen super bequemen Schuh, den ich wie einen Pantoffel tragen kann. Aus diesem Schuh für den „sophisticated Globetrotter“ haben wir auch noch einen Gesellschaftsschuh entwickelt, den man bei einem vierstündigen Staatsempfang im Stehen tragen kann. Da schwellen einem auch die Füße an. So entwickeln sich aus einer Grundidee laufend neue Anwendungen.